18.04.2023
Weg mit Einweg-Müllbergen! Mit einer Mehrweg-Revolution will Relevo für mehr Akzeptanz in der Gastronomie sorgen. Was hinter dem "Fast-Check-In" steckt und wie die Gastronomie auf die Mehrwegangebotspflicht reagiert hat, darüber haben wir mit Matthias Potthast, dem Mitbegründer von Relevo, folgendes Interview geführt:
Gastronomie-Report: Sie haben auf der Internorga eine "Mehrweg-Revolution" gestartet. Was steckt dahinter?
Matthias Potthast: Bislang ist es so, dass zwei unterschiedliche Systeme auf dem Markt konkurrieren, zum einen Pfandsysteme und zum anderen digitale Lösungen. Im ersten Fall zahlt der Gast z. B. zwei Euro Pfand für einen Mehrwegbecher und bekommt das Geld bei der Abgabe wieder zurück. Klingt einfach, hat aber seine Tücken. Wer etwa für die Kollegen im Büro das Mittagessen to go holt, muss viel Geld hinterlegen.
Bei einer digitalen Lösung wie Relevo ist keine Pfandhinterlegung nötig – der Austausch läuft über das digitale Nutzerprofil des Gastes in der App. Das funktioniert nicht anders als in einer Bibliothek. Wenn man angemeldet ist, kann man Bücher ausleihen und wieder abgeben.
Ganz entscheidend beim sensiblen Thema Mehrweg sind die Einfachheit des Systems und die Rückgabequote. Allein in Europa fallen derzeit noch 80 Milliarden Einwegverpackungen pro Jahr an. Dagegen wollten wir etwas unternehmen, als wir Relevo gestartet haben. Deshalb schauen wir auch weniger auf Umsatz oder Rendite, sondern vor allem auf die Rücklaufquote. Und die liegt bei Relevo derzeit bei 99,5%. Diese Quote brauchen wir auch. Nur wenn eine Mehrwegverpackung mehrere hundert Mal genutzt wird, erreichen wir unsere klimaneutralen Ziele.
Gastronomie-Report: Glückwunsch, wie erklären Sie sich das?
Matthias Potthast: Wir sind nicht blauäugig, sondern realistisch. Wenn die Hürde zu klein ist, etwa ein bis zwei Euro Pfand bei einem Mehrwegbecher, dann gehen halt viele Gäste damit genauso um wie mit einem Einwegbecher und werfen ihn einfach weg.
Bei Relevo haben die Gäste zwei Wochen lang Zeit, die Mehrwegverpackung zurückzugeben und können sie derweil gern auch privat nutzen. Erst danach wird eine Klimagebühr fällig, fünf Euro für den Becher und zehn Euro für die Bowl. Und das ist offenbar ein Anreiz für die Gäste, die Verpackungen zurück in den Wiederwertungskreislauf zu geben.
Gastronomie-Report: Was ändert sich jetzt durch den "Relevo Fast-Check-In"?
Matthias Potthast: Es muss einfach sein und schnell gehen, damit Mehrwegsysteme akzeptiert werden. Dass man bislang bei Relevo eine App herunterladen und sich anmelden musste, war zugegebenermaßen eine Hemmschwelle für manche Gäste.
Diese Hemmschwelle haben wir mit dem Relevo Fast-Check-In beseitigt. Wenn der Gast am Tresen eine Relevo-Mehrwegverpackung erhält, muss er einfach nur die Kamera am Smartphone öffnen und den QR-Code am Becher oder an der Schale scannen. Mit zwei bis drei Klicks ist der verkürzte Registrierungsprozess innerhalb von maximal zehn Sekunden erledigt. Das war's!
Gastronomie-Report: Kurz nachgefragt: Das funktioniert ohne App?
Matthias Potthast: Ja, exakt. Wobei wir Relevo-Nutzern weiterhin die App empfehlen, die ihnen zusätzliche Vorteile bietet, z. B. eine Übersicht über Abgabestellen in der Nähe, Infos über die Ausleih-Historie und vieles mehr. Aber auch ohne App kann Relevo ab sofort genutzt werden.
Gastronomie-Report: Was bedeutet diese Innovation für die Gastronomen?
Matthias Potthast: Das Handling unseres Systems für Gastro-Mitarbeiter und Gäste wird deutlich vereinfacht und beschleunigt. Der Erklärungsbedarf sinkt. Wegen Relevo entstehen keine Schlangen an der Kasse. Und wir haben auch eine Lösung entwickelt für Gäste, die ihr Smartphone nicht griffbereit haben. Für solche Fälle gibt es die "Weltretterkarte". Das ist eine Art Guthabenkarte, auf die der Gast z. B. 20 Euro einzahlt und dann in Höhe des Betrags Geschirr ausleihen kann. Gastronomen, die an dieser Lösung interessiert sind, beraten unsere Mitarbeiter gern.
QR-Code scannen und fertig – so einfach geht der Fast-Check-In.
Gastronomie-Report: Relevo ist im Frühjahr 2020 als Münchner Start-up gegründet worden. Wo stehen Sie heute?
Matthias Potthast: Das Ganze fühlt sich wie ein Traum an. Wir reiben uns schon manchmal die Augen, wenn z. B. die Meldung reinkommt, dass jetzt auch Gastronomen auf der Nordseeinsel Juist oder 23 Studentenwerke, die Tausende von Studenten betreuen, mit Relevo arbeiten.
Aber anfangs war es eher ein Alptraum. Am Freitag, den 13. März 2020, war alles besprochen und bereit für den Start. Am Montag drauf ging die Gastronomie in den kompletten Lockdown. Da brauchte niemand Mehrweggeschirr.
Im Lauf der Pandemie, als immer mehr Gastro-Betriebe ins To-go-Geschäft eingestiegen sind, kam dann die Wende. Das Mitnahme-Geschäft ist geradezu explodiert. Die gesamte Branche hat erlebt, welches Potenzial in diesem Geschäftszweig steckt. Und dieser Trend ist bis heute nicht abgeebbt. Das bedeutet aber auch, dass der Müllberg durch das To-go-Geschäft noch weiter gewachsen und der Bedarf an Mehrweglösungen noch größer und drängender ist als jemals zuvor.
Heute hat Relevo mehr als 3.000 Partnerstandorte in über 700 deutschen Städten. Aus unserem kleinen Gründerteam um Aaron Sperl, Gregor Kolb und mir ist ein Unternehmen mit 45 Mitarbeitenden geworden.
Gastronomie-Report: Können Sie kurz erläutern, was Relevo von den Mitbewerbern unterscheidet?
Matthias Potthast: Spätestens mit dem Fast-Check-In ist unsere nachhaltige, pfandfreie Mehrweg-to-go-Lösung eine schnelle, einfache und einzigartige Lösung.
Zur hohen Akzeptanz bei den Gästen tragen auch unser hochwertiges Geschirr und ständige Produktinnovationen bei. Zu unserem Sortiment gehören Schalen und Becher aus Premium- Kunststoff und Glas und dazu Sonderformen wie Burger-, Sushi- und Pizza-Boxen. Unsere Gastro-Partner zahlen mittels Pay-per-use-Modell nach getätigten Ausleihen, ohne dabei langfristig bindende Vertragslaufzeiten eingehen zu müssen.
Gastronomie-Report: Seit Jahresbeginn gilt in Deutschland die Mehrweg-Angebotspflicht. Wie reagiert die Gastro-Branche nach Ihren Erfahrungen darauf?
Matthias Potthast: Rund um den 1. Januar hat es eine verstärkte Nachfrage nach Mehrwegsystemen gegeben. Das spiegeln alle unsere Kennzahlen (Anrufe, konkrete Gespräche, Neukunden) wider. Mittlerweile liegen die Neukontakte in etwa wieder auf dem Niveau des vergangenen Herbstes.
Nachdem über die neue Regelung so viel berichtet und geschrieben worden ist, gehe ich davon aus, dass jeder Gastro-Unternehmer Bescheid weiß. Allerdings dürften nur etwa 50% der Betriebe die Mehrwegangebotspflicht bislang umgesetzt haben. Und in der Bevölkerung ist leider nur ein geringes Bewusstsein bei diesem Thema zu spüren, wie aktuelle Umfragen zeigen. Wenn sich hier nichts ändert, steigen die Einweg-Müllberge weiter, was letztlich eine Verschärfung des Gesetzes zur Folge haben dürfte.
Gastronomie-Report: Ist die Akzeptanz eine Altersfrage? Gibt es ein Stadt-Land-Gefälle?
Matthias Potthast: Weder noch! Zu unseren Partnern gehören Wirtshäuser auf dem Land, die bei 100% Rücklaufquote liegen. Ein wichtiges Kriterium ist eine hohe Zahl von Stammgästen. Wenn der Gast weiß, dass er sehr bald wieder ein Lokal besucht, greift er gern zu Mehrweg-Geschirr – unabhängig von seinem Alter.
Wer dagegen nur schnell im Imbiss am Straßenrand ein Getränk und ein Essen to go kauft, tendiert eher dazu, das Geschirr hinterher wegzuwerfen.
Dass wir unter unseren Usern eine hohe Zahl junger Menschen haben, liegt eher daran, dass z. B. im studentischen Milieu to go viel stärker zum Lifestyle gehört als etwa bei Rentnern.
Gastronomie-Report: Wie lautet Ihre Botschaft, um zögerliche Wirtinnen und Wirte zu überzeugen?
Matthias Potthast: Aus vielen Gesprächen mit unseren Gastro-Partnern wissen wir um die Sorgen und Nöte der Branche. Die Nachwirkungen von Corona, der Mitarbeitermangel, die explodierenden Energiepreise, die hohe Inflation und Preissteigerungen gerade bei Lebensmitteln ... Und jetzt kommen wir mit unserem Mehrweggeschirr daher!
Liebe Wirtinnen und Wirte, sagen Sie bitte nicht: "Kommt's später wieder!" Wir können nicht warten, bis mehr Plastikteile als Fische in den Weltmeeren herumschwimmen. Wir dürfen nicht länger Teil des Problems sein, sondern müssen es gemeinsam lösen!
Ökologisches Handeln beim Mehrweg bedeutet darüber hinaus keine Mehrausgaben, sondern rechnet sich sogar durch den Wegfall der Kosten. Sie haben die Wahl zwischen mehreren gut etablierten Systemen. Ob Sie sich für Relevo oder einen Mitbewerber entscheiden, ist sekundär. Hauptsache, Sie packen es an und setzen auf Mehrweg!
Gastronomie-Report: Herzlichen Dank für dieses Gespräch!
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