15.07.2022

Hilferuf eines Hoteliers

Der Rüdesheimer Hotelier Peter Häfner hat per Offenem Brief einen "Hilferuf" an Bundeskanzler Olaf Scholz und weitere wichtige politische Entscheidungsträger geschickt. Das Schreiben beginnt mit dem Satz: "Es wird im kommenden Jahr zu einer Flut von Betriebsschließungen kommen, wenn die Politik uns diesen Herbst/Winter allein lässt, wonach es momentan aussieht." Hier das wichtige Dokument in vollem Wortlaut.

HILFERUF EINES HOTELIERS

14. Juli 2022, Rüdesheim am Rhein

Aufgerüttelt durch die Berichterstattungen zum Jahrestag der Flutkatastrophe an der Ahr möchte ich mir später selbst nicht vorwerfen, dass ich nicht alles im Rahmen meiner Möglichkeiten unternommen habe, um Schaden von meinem Unternehmen, den Arbeitnehmern, den Partnern und meiner Familie abzuwenden, in dem ich die Hilflosigkeit, in der wir uns momentan befinden, an entsprechender Stelle anbringe und die politisch Verantwortlichen darüber in Kenntnis setze.

Ich bin Unternehmer geworden, um aus eigener Kraft und selbstbestimmtem Handeln heraus meine eigene Zukunft gestalten zu können. Dafür war und bin ich auch immer bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung für mein eigenes Handeln.
Dies hat sich mit Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 geändert. Ich möchte folgende Themen aufführen, die nicht mehr in Unternehmer-Hand liegen: Personalknappheit, Energiekostenverteuerung mit zusätzlich drohendem Gas-Stopp und stetige Verteuerung der Lebensmittelpreise. Lieferschwierigkeiten bei Lebensmitteln, aber auch Materialien.

Ich werde auf jeden der einzelnen Punkte näher eingehen, möchte aber dennoch bereits zu Beginn zum politischen Handeln aufrufen. Wenn meine Analyse richtig ist, dass es der Unternehmer nicht mehr selbst in der Hand hat, dann müssen die politischen Autoritäten die Entscheidungen zum Wohl seiner Bürger treffen, um größeren Schaden abzuwenden (in diesem Fall Insolvenzen, Betriebsschließungen, Arbeitslosigkeit der Arbeitnehmer, Existenzverlust der Unternehmer und Umsatz-Einbrüche bei den Zulieferern).

Nachdem ich dieses politische Handeln vermisse und auch nicht erkennen kann, dass es in Vorbereitung ist, fühle ich mich verpflichtet, darauf Aufmerksam zu machen, da es sein könnte, dass den Verantwortlichen der Ernst der Lage nicht bewusst ist bzw. ihn noch nicht komplett erkannt haben.

Die Bemühungen unseres Wirtschaftsministers Habeck um Energie-Beschaffung und -Diversifizierung in allen Ehren. Er kämpft und erklärt und schenkt uns reinen Wein ein, was ich sehr schätze. Aber er scheint wenig Unterstützung zu bekommen, was man ihm mittlerweile auch ansieht.
Im Gegenteil, wir scheinen nichts gelernt zu haben, selbst im dritten Jahr der Corona-Pandemie. Nun verschärft durch den Krieg in der Ukraine, höre ich nach wie vor, dass parlamentarische Sommerpausen geplant sind. Wann, wenn nicht jetzt müssen wir uns auf den Herbst/Winter vorbereiten? Sind wir nicht in der Lage einen politischen Betrieb aufrecht zu erhalten, in dem es trotzdem für jeden einzelnen Parlamentarier möglich ist, Urlaub zu machen? Nicht gleichzeitig, sondern nacheinander.

Sehr geehrte politisch Verantwortliche, demokratisch gewählte Volksvertreter, bitte handeln Sie JETZT, um großen Schaden von uns allen abzuwenden.

CORONA-KRISE

Unser Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach lässt keine Möglichkeit aus, um auf die bevorstehende Herbst-/Winter-Welle medienwirksam aufmerksam zu machen. Gleichzeitig möchte er auf jeden Fall einen weiteren Lockdown vermeiden. Für unsere Branche bedeutet das, dass sich durch diese Ankündigungen das Reiseverhalten der Menschen wieder erheblich ändern wird und unsere Unternehmen massive Umsatzeinbrüche zu erwarten haben. Ohne staatlich angeordnete Betriebsschließung sind zudem auch keine staatlichen Hilfsgelder zu erwarten.

Es wird aber noch schlimmer, die Lage spitzt sich zu. Vor zwei Wochen fragte mich mein Steuerberater, ob ich zwei Minuten Zeit hätte, daraus wurden 30 Minuten und danach war unser Unternehmen um eine erhebliche Summe ärmer. Warum?
Der Staat ändert momentan im Nachhinein die Regularien der Überbrückungshilfen, was dazu führt, dass beantragte und genehmigte Überbrückungshilfen in großen Teilen wieder zurückbezahlt werden müssen.

Wo gibt es denn sowas, dass Regularien im Nachhinein geändert werden dürfen?

Das nenne ich unlauter. Das muss überprüft werden, zur Not gerichtlich!

LEBENSMITTELKOSTENEXPLOSION

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine vergeht fast kein Tag, an dem uns nicht ein Lieferant eine weitere Preiserhöhung ankündigt auf Lebensmittel, aber auch andere Produkte wie Reinigungsmittel. Neu eingeführte Fahrtkostenpauschalen haben sich schon bei allen Lieferanten durchgesetzt und Mindestbestellmengen versucht man um das Doppelte zu erhöhen. Wir erwirtschaften ca. 37,5% weniger Umsatz als vor Corona, aber sollen doppelt so viel einkaufen müssen!? Wer soll das verstehen?

Demzufolge sind wir gezwungen, auch die Preise anzupassen. Dies ist aber nicht so schnell möglich, wie wir die Preise erhöht bekommen, da eine gewisse Preisakzeptanz sich auch in der Bevölkerung erst einmal durchsetzen muss. So lange hat man noch weniger Umsatz in seinem Restaurant, da ja auch der geneigte Gast weniger in seinem Geldbeutel hat. Denn auch für ihn steigen die Kosten im privaten Bereich explosionsartig oder werden es noch, wenn die Nebenkostennachzahlungen kommen und die Energieverträge nach Laufzeitende neu abgeschlossen werden müssen.

Stoppen Sie endlich den Spekulationshandel auf Lebensmittel. Im Bereich Weizen sind die Preissteigerungen mittlerweile zu ca. 72% auf Spekulationen (Quelle: Dokumentation ARD) zurückzuführen und nicht auf seriöse und wie ich finde sinnvolle Warentermingeschäfte.

ENERGIEKOSTENEXPLOSION

Wir erleben eine Kostenexplosion sondergleichen, die schon Monate vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine begonnen hat. Wir haben 3-4-fach erhöhte Strom- und Gaskosten, die wir so nicht an unsere Gäste in Form von Preissteigerungen weitergeben können, zumindest nicht so schnell, da unsere Preise sonst so hoch wären, dass die Gäste ausbleiben würden.

Gespräche mit vielen Handwerksfirmen haben ergeben, dass es auf Grund von Lieferengpässen und Personalnot auch im Handwerk bis zur kalten Jahreszeit keine Möglichkeit geben wird, eine alternative Heizungsmöglichkeit für das Hotel anzuschaffen.

Was sollen wir also tun, um bei einem möglichen Gas-Stopp unser Hotel heizen zu können? Uns sind die Hände gebunden und wir sind auf Ihre Unterstützung angewiesen.

Des Weiteren habe ich drei zentrale Vorschläge, die uns zumindest mittel- und langfristig helfen können. Diese Vorschläge sind nur politisch zu lösen.

  1. Die Privatisierung und Liberalisierung der Energieunternehmen muss rückabgewickelt werden. Die Unternehmen müssen wieder in staatliche Hand. Nur so kann der Staat schnell und unkompliziert reagieren. Aus meiner Sicht ist die Energieversorgung zum bestmöglichen Preis eine ureigene staatliche Aufgabe. Warum diese jemals privatisiert wurde, ist mir seit Jahren ein Rätsel.
  2. Energie darf nicht zum Spielball von Investoren werden. Verbieten Sie endlich den Derivate-Handel auf Energie. Was Wetten auf steigende oder fallende Kurse an den Börsen auslösen, sehen wir gerade. Das muss unterbunden werden.
  3. Was wird auf kommunaler Ebene unternommen, um der Energiekrise Herr zu werden und uns von fossilen Rohstoffen unabhängig zu machen? Hier höre ich nichts oder fühle mich zumindest schlecht informiert, sollte es anders sein.
    • Sind Windräder in Planung?
    • Ist ein Blockheizkraftwerk für die Stadt oder den Kreis geplant?
    • Welche Maßnahmen werden unternommen, um Rüdesheim am Rhein und den Landkreis energetisch autark zu machen?
    • Wie ist hier die Planung? Welches Ziel verfolgt man?

PERSONALKNAPPHEIT

Es ist richtig, dass unsere Branche auch schon vor Corona mit diesem Thema zu kämpfen hatte, jedoch mit Corona und verschiedenen anderen Faktoren ist es derzeit so, dass wir alles menschenmöglich unternehmen, um Fachkräfte und Hilfskräfte zu finden, aber keine qualifizierten Bewerbungen erhalten. Wir investieren viel Geld in Image- und Social-Media-Kampagnen, in Stellenanzeigen im In- und Ausland, sowohl online als auch klassisch in Zeitungen. Arbeitsagenturen und Personalagenturen sind ebenfalls beauftragt. Wir sind Arbeitgeber-Kooperationen beigetreten und vernetzen uns mit HR-Verantwortlichen deutschlandweit. Lokale Job-Agenturen mit kommunalem Auftrag unterstützen wir. Nebenbei sei erwähnt, dass wir seit Monaten diverse Stellenausschreibungen bei der Bundesagentur für Arbeit geschaltet haben. Keine einzige Bewerbung ist eingegangen.

Wir tun viel, sehr viel, um Mitarbeiter zu finden, das können Sie mir glauben, aber auch unser Unternehmen muss zeitweise Leistungen kappen, um überhaupt noch einen wertigen operativen Ablauf gewährleisten zu können. Den Rest gleichen wir als Unternehmer aus, persönlich bis zu 18 Stunden pro Tag, täglich.

Wie lange kann da so weitergehen?

Am Beispiel der überlasteten Flughäfen, auf Grund der dort herrschenden Personalnot, hat die Politik reagiert und eine Öffnung des Arbeitsmarktes auch für außereuropäische Länder angekündigt. Bitte tun Sie dies auch für unsere Branche, öffnen Sie den Arbeitsmarkt für Indien, für Vietnam, die Philippinen etc. und machen Sie dies bitte schnell und unkompliziert.

Machen Sie Deutschland endlich zu einem Einwanderungsland, mit klar verständlichen Regeln und nicht zu hohen und unerfüllbaren Hürden für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Seit über einem Jahr plädiere ich dafür, dass auch die Tourismusorganisationen nicht nur Kampagnen machen sollen, um Gäste zu finden, sondern diese Strukturen auch nutzen könnten, um Mitarbeiter für die Leistungsträger zu finden.

Bitte unterstützen Sie diese Bemühung und weisen die Tourismusorganisationen in Ihrem Einflussbereich an, dahingehende Kampagnen zu starten.

Die im Sommer 2021 gegründete Denkfabrik Union der Wirtschaft (UdW) hat die Personalnot analysiert und in einem Papier mehr als 30 Vorschläge sowie fünf Top-Maßnahmen dagegen aufgeführt. Das neue Konzept "Mitarbeiter gewinnen, halten und zurückgewinnen" wird von mir ausdrücklich ideell unterstützt.

Die Top-5 Ideen der Union der Wirtschaft

  • Zu den besten Arbeitgebern der Welt werden: Angemessene, faire Bezahlung gewährleisten, Work-Life-Balance beachten, Benefits für Mitarbeiter sowie Perspektiven auf Weiterentwicklung und Abwechslung anbieten (Austauschmöglichkeiten innerhalb der Unternehmen/der Industrie).
  • Unattraktive Arbeitszeiten attraktiver machen: steuer- und beitragsfreie Zuschläge auf den Samstag ausweiten.
  • Flächendeckend die 4-Tage-Woche ermöglichen: Einführung einer flexiblen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden (EU-Arbeitszeitrichtlinie), um etwa eine 4-Tage Woche rechtlich ohne Stundenreduzierung zu ermöglichen.
  • Prinzip "Arbeitsvertrag reicht für Zuwanderung": Stufenweise Ausweitung der "Westbalkanregelung" auf zusätzliche Nicht-EU-Länder (erste Stufe: Indonesien, Indien, Philippinen, Vietnam; zweite Stufe: Maghreb-Staaten und Pakistan).
  • Professionelles Mitarbeiter-Anwerbe-Programm der DZT: Dauerhafte Umsetzung von Werbekampagnen (Mitarbeiterland Germany) mit Fokus auf das Nicht-EU-Ausland zum Beispiel durch die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT).

Peter Häfner
Kirchstraße 7
65385 Rüdesheim am Rhein
www.hotel-trapp.de

Diesen Offenen Brief hat Peter Häfner auch an den Ministerpräsidenten von Hessen, Boris Rhein, an den Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises, Frank Kilian, und an den Bürgermeister von Rüdesheim am Rhein, Klaus Zapp, geschickt.

Kontakt zum Rüdesheimer Hotelier Peter Häfner per Mail an: peter@hotel-trapp.de