05.06.2024
In Prien am Chiemsee hat Dominik Wachter vor zwei Jahren das Restaurant Wachter Foodbar eröffnet, das sich durch eine nachhaltige und regionale Küchenphilosophie auszeichnet und auf die ganzheitliche Verwertung von Lebensmitteln setzt ("Nose to Tail" und "Leaf to Root"). 2024 hat der Starkoch das zweite Jahr in Folge seinen Michelin-Stern verteidigt.
Im folgenden Interview gewährt Dominik Wachter Einblicke in seine Leidenschaft für die ganzheitliche Zubereitung von Speisen:
Sie sind erneut mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet worden. Herzlichen Glückwunsch! Was halten Sie von den Konzepten "Nose to Tail" und "Leaf to Root" in der Sterneküche?
Dominik Wachter: Vielen Dank. Ja, wir haben unseren Stern verteidigt. Diese Auszeichnung macht uns stolz. Wir freuen uns über diese Anerkennung und Wertschätzung, weil sie uns in unserer Arbeit bestätigt. "From Nose to Tail" oder bei den Vegetariern "from Leaf to Root" ist für mich eine allgemeine Arbeitseinstellung und gehört in die Sterneküche genauso wie ins Wirtshaus oder auch in die heimische Küche. Das ist auf gut Deutsch ein normales, nachhaltiges Arbeiten, was überall seinen Platz finden sollte.
Wie sind Sie mit der nachhaltigen Verarbeitung von Lebensmitteln in Berührung gekommen?
Dominik Wachter: Diese Art des Kochens wurde mir schon während der Ausbildung mit auf den Weg gegeben. Ich habe damals in einem kleinen Betrieb gearbeitet, in dem man wirtschaftlich arbeiten musste. Wenn man so arbeiten muss und will, dann gehört das natürlich dazu – allein aus Respekt zum Produkt. Man hat nicht nur Edelteile zu verarbeiten. Nach meiner Auffassung ist das gesamte Tier edel und nicht nur das Filet.
Sie sind ja aus Prien. Wo genau haben Sie ihre Ausbildung gemacht?
Dominik Wachter: Ich komme tatsächlich aus Prien, bin hier aufgewachsen und habe in Prien meine Lehre absolviert. Gelernt habe ich bei Thomas Mühlberger, der 23 Jahre lang mit kurzer Unterbrechung einen Stern hatte. Bei Thomas Mühlberger habe ich auch gearbeitet. In seiner ehemaligen Kochschule befindet sich nun mein Restaurant. Ich war nie wirklich weg aus Prien.
Sie leben also Treue zur Region persönlich vor. Welchen Einfluss haben Nachhaltigkeit und Regionalität in Ihrer Küche?
Dominik Wachter: Beides hat einen großen Einfluss. Als naturverbundener Mensch suche und sammle ich meine Lebensmittel nach Möglichkeit in der nahen Umgebung. So schätzt man das Produkt viel mehr. Wenn ich ein Produkt über einen Onlineshop bestelle, fehlt der Bezug zur Ware. Wenn ich jedoch durch die Wälder gehe und dort meine Pilze sammle, ist die Verbindung zum Lebensmittel eine vollkommen andere. Dann geht man damit um wie mit einem Schatz. Diese Liebe des Kochs zum Lebensmittel sollte der Gast im Idealfall auf dem Teller sehen und schmecken.
Nun gibt es Teile des Tieres oder der Pflanze, die weniger verwendet und nachgefragt werden. Wie gehen Sie mit der Herausforderung um, auch diese Teile zu verarbeiten und dem Gast schmackhaft zu machen?
Dominik Wachter: Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Bei mir ist die Herausforderung in jedem Fall die Größe des Tieres. Bei "Nose to Tail" verarbeiten wir ja das gesamte Produkt. Bei einem Ochsen etwa wäre das schwierig. Wir haben nur 22 Sitzplätze und da würde zu viel Fleisch anfallen. "Nose to Tail" & "Leaf to Root" ziehen sich durch mein ganzes Arbeiten. Ob es jetzt der Pilz ist oder der Holunder, den ich fünfmal im Jahr ernte. Ich beziehe das also nicht nur auf das Fleisch, sondern eben auf alle Produkte in meiner Küche. Und ja – man hat nicht nur die vermeintlichen Edelteile, sondern auch andere Teile. Aus Sicht des Kochs muss man sich hier mehr konzentrieren und mehr Handwerk in die Zubereitung hineinstecken. Was das Image der vermeintlich weniger edlen Teile betrifft, findet bei vielen Menschen eine Rückbesinnung statt. Auch Innereien sind edel und schmackhaft.
Welche Rolle spielt die Qualität des Fleisches oder die Qualität der Produkte generell?
Dominik Wachter: Qualität ist das A und O! Ich kann nur so gut kochen, wie das Produkt ist. Das Produkt steht immer im Mittelpunkt. Mein ehemaliger Chef hat bei Eckart Witzigmann gelernt und da hieß der Leitspruch: Das Produkt ist der Star und niemals der Koch! Dieser Leitspruch gilt auch für das Restaurant Wachter. Das Gericht auf dem Teller kann nur so gut sein wie die Qualität des Produkts. Ich habe einen kleinen Laden, verfüge kaum über Lagermöglichkeiten. Das zwingt mich zum regionalen Arbeiten – anders geht es gar nicht. Ich habe gar nicht die Möglichkeit, im großen Stil einzukaufen. Ich kaufe so nah und so oft wie nötig ein. Als gebürtiger Priener sind die Verbindungen zu Lieferanten, Gärtnern und auch Fischern vorhanden und gewachsen. Man kennt und schätzt sich hier gegenseitig.
Eine Frage an Sie als gebürtigen Priener. Gibt es denn in Prien noch Ecken, an denen man selbst Wildkräuter oder Blüten sammeln kann, um sie dann in der Küche zu verwerten?
Dominik Wachter: Natürlich! Im wunderschönen Eichental findet man von Holunder über Brunnenkresse und Blüten und Kräuter vieles, was sich wunderbar für die Küche eignet.
Letzte Frage: Haben Sie einen Tipp für uns für das Arbeiten nach dem "Root to Leaf"-Prinzip?
Dominik Wachter: Der Holunder bietet sich da wunderbar an. Ich ernte vom Holunder Knospen, Blüten, die unreifen Beeren und auch den Holunderpilz, das sogenannte Judasohr, welcher vorwiegend am schwarzen Holunder wächst. Der Pilz ist dem Mu-Err-Pilz ähnlich, den wir aus dem asiatischen Raum kennen. Knospen und unreife Beeren kann man ganz einfach, wie Kapern, einlegen. Wichtig dabei ist nur, dass die unreifen Beeren einmal erhitzt werden. Aus den Blüten mache ich Sirup. Aus den reifen Beeren kann man wunderbar Marmelade, Sirup oder Ragout herstellen. Und dann natürlich der Pilz!! Diesen kann man nicht nur braten oder dünsten, sondern auch einlegen oder trocknen. Sie sehen also, der Holunder ist ein wahres Wunderwerk in Sachen "from Root to Leaf". Experimentieren Sie und trauen Sie sich, mutig bei der Verarbeitung von Holunder zu sein. Sie werden es nicht bereuen.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch!
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