Erlebnisessen vom Heißen Stein – Grenzöffnungen haben ihre positiven Seiten, etwa ein größeres Gästepotential. Aber genauso ihre Schattenseiten. Im Fichtelgebirge beispielsweise wurden die Hoteliers und Gastronomen praktisch von heute auf morgen mit der Tatsache konfrontiert, dass ihre tschechischen Kollegen jenseits der nahen Grenze Preise verlangen, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Was tun?
Die Familie Schmalzl vom Waldhotel am idyllischen Fichtelsee hat nach einer Attraktion gesucht, die ihren Betrieb unverwechselbar und einmalig macht in der Region. Die Schmalzls sind fündig geworden, dank der "heißen Steine" der Fa. Lauer.
"Die Investition hat sich gelohnt", so das Fazit von Johannes Schmalzl. "So viele Betriebsfeiern wie Ende 1998 hatten wir noch nie. Die Gäste kommen bis aus Bayreuth, um das "Essen vom heißen Stein" zu genießen. Und der Weinumsatz ist auch kräftig angestiegen." Das geniale Erfolgsrezept lautet: Der Gäste bereiten die bestellten Frisch-Fleisch- und -Fischstücke auf dem 375° heißen Stein selbst zu. Was den Gästen ein Stück Erlebnisgastronomie beschert, erspart in der Küche jede Menge Arbeit. "Ob nun nachmittags um 15 Uhr eine Wandergruppe kommt oder Gäste spätabends noch warm essen wollen, mit den "heißen Steinen" ist es kein Problem, rund um die Uhr eine warme Küche anzubieten", so Johannes Schmalzl. "Die Steine müssen nur aus dem Ofen genommen werden, rohes Fleisch und Gemüse haben wir ständig vorrätig."
Doch erzählen wir die Geschichte der Reihe nach. In den letzten 50 Jahren hat sich der Familienbetrieb am Fichtelsee vom kleinen Seekiosk zum gemütlichen Familienhotel mit großem Terrassenbetrieb für Ausflügler im Sommer entwickelt. Das Verschwinden des Eisernen hatte zur Folge, dass die Bundesstraße 303 zur Durchgangsstraße wurde. An der Ausfahrt Fichtelsee-Fichtelberg fuhr plötzlich so mancher potientelle Gast achtlos vorbei. Also mussten sich die Schmalzls was einfallen lassen. "Wir haben nach etwas gesucht, das nicht vergleichbar ist", erzählte uns Johannes Schmalzl. Auf der letzten Intergastra entdeckte er die "heißen Steine" der Fa. Natur & Technik Lauer. "Diese Idee hat mir von Anfang an gefallen", so Schmalzl. Als vorsichtiger Hotelier ließ er sich aber erst einmal Prospekte zuschicken und die Adressen von Referenzbetrieben geben.
Beim Besuch solch eines Lokals erlebte Johannes Schmalzl erst mal, wie man es nicht machen sollte. Auf seine Frage, ob man hier vom heißen Stein essen könne, entgegnete der Ober: "Ja, das ist möglich. Aber da servieren wir ihnen rohes Fleisch, das sie selbst braten müssen." Ungeschickter lässt sich die coole Idee mit dem heißen Stein kaum an den Gast bringen. Umso mehr staunte Schmalzl, als ihm hinterher der Wirt erzählte, für das "Essen vom heißen Stein" lägen bereits jede Menge Reservierungen vor. Wenn die Idee selbst mit solchen Servicemitarbeitern so einschlägt, was lässt sich daraus mit geschultem Personal machen... Eine Vorführung im Hause Lauer beseitigte die letzten Zweifel. Seit September 1998 sind die heißen Steine im Waldhotel Fichtelsee im Einsatz.
"Essen vom heißen Stein – Der fettlose Brutzelspaß ist nicht nur ein Erlebnis, sondern auch eine gesunde, kalorienbewusste Alternative im Restaurant" Eine Extra-Speisekarte mit diesem Satz auf dem Deckblatt empfängt den Gast im Waldhotel Fichtelsee. Auf der 1. Seite werden die Details des "Erlebnisessens" präsentiert - nach dem Motto: Der Küchenchef ist der Gast. Im Text heißt es: "Sie schneiden einfach mundgerechte Stücke von ihrem Fleisch oder nehmen Stücke von ihrem Spieß ab und braten es nach Belieben durch. Der letzte Bissen schmeckt noch genauso saftig, knusprig, zart und frisch wie der erste Bissen!"
Das Angebot reicht vom Räuberdegen (Schweinefleisch, Zwiebel, Speck und Gurken – ca. 180 Gramm für 25,50 Mark) über den Fichtelsee'r Gourmetspieß (Angusfilet und Schweinelendchen – ca. 220 Gramm für 34,20 Mark) bis hin zum Lachsfilet für 28,50 Mark. Im Preis enthalten sind eine kleine Vorspeise sowie als Beilagen zum Hauptgang reichlich Knoblauch/Zwiebel-Baguette, frisches Gemüse, Champignons und Zwiebeln. Auch die Beilagen können auf dem heißen Stein zubereitet werden. Gebackene Kartoffeln, Fichtelberger Gewürzkartoffelschnitten und leckere Salate können zusätzlich bestellt werden.
Was man als Gastronom braucht für dieses USP ("unique selling position")? Einen Spezialofen, eine Reihe von Steinen und Platten (mit Hitzeschild, auf das der Stein gelegt wird) sowie Zubehör wie Spieße und Halter. Im Waldhotel Fichtelsee sind derzeit 60 Steine und 40 Servierplatten im Einsatz. Die Steine bleiben rund 45 Minuten heiß, im Ofen können gleichzeitig bis zu 120 Steine heiß gemacht werden. Nach dem Gebrauch müssen die Steine eine Stunde abkühlen, bevor sie gereinigt (einfach mit eine Bürste abschrubben) und wieder erhitzt werden können. Der Betrieb des Ofens ist nach Schmalzls Angaben äußert kostengünstig: "Wenn der Ofen aufgeheizt ist, braucht er am Tag 30 Pfennig Strom." Im Waldhotel Fichtelsee wird der Ofen deshalb auch am Ruhetag nicht abgeschaltet.
"Unsere Mitarbeiter waren von Anfang an begeistert von dieser Innovation", so Schmalzl. "Und diese Begeisterung geben sie auch an die Gäste weiter. Dabei reicht es meist schon, wenn ein Spieß auf dem heißen Stein durchs Lokal getragen wird. Dann wollen die übrigen Gäste das auch probieren, spätestens beim nächsten Besuch.
Dass sich das Essen vom heißen Stein ideal für größere Feste eignet, versteht sich fast von selbst. "Dann bauen wir ein großes Fleischbuffet mit Rind- und Schweinefleisch, Wild, Pute, etc. , auf Wunsch auch Antilopenfleisch auf sowie ein Salat- und Gemüsebuffet. Die Gäste können sich dann nach Herzenslust bedienen", erzählt Schmalzl. Aber auch das Essen in kleiner Runde wird gleich viel kommunikativer. Nach dem Motto: "Schneid mir doch bitte in Stück von deinen Schweinelendchen ab. Ich leg' dir dafür einen Happen vom Lachs auf deinen Stein." Weiterer toller Showeffekt: Auf dem Stein können leckere Eisdesserts flambiert werden!
Solch eine Art des Essens verleitet zum Genießen, zum Ratschen, zum Verweilen. Diesen Effekt bemerkt der Wirt nicht zuletzt beim hohen Getränkeumsatz. "Speziell unser Weinabsatz ist gewaltig gestiegen." Das kommt allerdings nicht von ungefähr. Per Tischaufsteller wird im Waldhotel für einen besonders preisgünstigen Wein geworben – die 0,5l-Karaffe für 6,90 Mark!
Das "Essen vom heißen Stein" hat sich rund um den Fichtelsee schnell zum Tagesgespräch entwickelt." Die Mund-zu-Mund-Propaganda sorgt ständig für neue Gäste", freut sich Schmalzl. Die Fans des heißen Steins finden sich unter allen Altersgruppen. Die für einen Gastro-Betrieb so wichtigen jungen, ausgehfreudigen Leute lassen sich von den Attributen "gesund, kalorienarm" anlocken. Und wer wenig Zeit hat, dem wird der heiße Stein in der Metallbox per "Außer Haus-Service" geliefert.
Im Waldhotel am Fichtelsee sind bereits heiße Steine nachbestellt worden. "Für den Fasching und für die großen Sommerfeste (50-jähriges Jubiläum im Juni, Seefest und Köhlerfest im August) brauchen wir dringend Nachschub", so Johannes Schmalzl. Für das Köhlerfest, das vom Arbeitskreis Fichtelberg organisiert wird, wird beispielsweise ein spezielles "Steineangebot" vorbereitet – ein Köhlerspieß mit Köhlerlikör.
Im Fichtelgebirge haben die heißen Steine mächtig Staub aufgewirbelt – weil sie einzigartig sind. "Das nächste Lokal, das diese Idee umgesetzt hat, liegt meines Wissen in Würzburg", so Schmalzl. Aber nicht nur in Franken herrscht eine Unterversorgung. Wir kennen auch in München, Regensburg, Augsburg oder Landshut kein Lokal mit heißen Steinen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Dieses Konzept ist im Gastronomie-Report 1/1999 erschienen.
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