Was macht man, wenn man den Zuschlag für ein Lokal in bester Lauflage in der Münchner Innenstadt bekommt? Wie hebt man sich ab von den Mitbewerbern, wo es doch schon alles gibt? Marc Uebelherr hat mit seinen Lokalen OhJulia und Le Copain No. 2 in der neuen Hofstatt eine überzeugende Lösung für diese Fragen gefunden: Konzentrier' Dich auf die einfachen Sachen und mach' diese wirklich gut! Und damit besser als viele andere.
Wenn OhJulia morgens öffnet, werden erst einmal die Türen weit geöffnet. Damit dem Lokal ein Duft entströmt, dem sich die Passanten nur schwer entziehen können, ja der sie magisch anzieht. Es ist ein Duft, den die Menschheit kennt, seit sie sesshaft geworden ist, und der ihr sagt: In der Nähe wird frisches Brot gebacken! Und das ist heutzutage, im Zeitalter der austauschbaren SB-Backstuben, zu einer Sensation geworden.
"Ich bin ja kein Bäcker, ich bin Gastronom", sagt Marc Uebelherr fast entschuldigend. Aber er hat die Zeit, die zwischen dem Zuschlag für die Gastro-Units in der Hofstatt und der Eröffnung lagen, genutzt, um sich schlau zu machen. "Ich war auf Messen im In- und Ausland, auf der Iba, in Lyon und Rimini", erzählt der Münchner Erfolgsgastronom. "Ich hab' mir edle Gastro-Backkonzepte in Mailand und London angeschaut und in Italien und Frankreich nach besonderen Zutaten und authentischen Produkten gesucht, um den Claim des OhJulia, "Authentic & Italian Food", mit Leben zu füllen.
Das Prunkstück steht unübersehbar im Gastraum: ein großer Backofen, exklusiv gefertigt für das OhJulia, den sich Uebelherr rund 35.000 Euro kosten ließ: "Das Besondere ist, das dieser Backofen ganz ohne Elektronik auskommt und sowohl für Brot als auch für Pizzen konstant die idealen Temperaturen liefert." Und auch die "Zutaten" sind vom Feinsten: Das Mehl für die drei französischen Brotsorten, die täglich gebacken werden, kommt direkt aus Frankreich, einer der beiden Bäcker aus Brüssel …
Damit alles vom ersten Tag an perfekt klappt, wurde vorab extra eine Backstube in der Münchner Urbanstraße angemietet. Dort wurde probiert, getestet und experimentiert, bis die perfekten Zutaten, Backmischungen, Backzeiten, Brotsorten, etc. gefunden waren. Der Nachbarschaft blieb das Treiben nicht verborgen (allein schon der Duft!). Passend zum Straßennamen gibt es dort inzwischen eine "Urban Bakery", die sich vor Kundschaft kaum retten kann. Den Gästen, die vom Geruch des Brotbackens im OhJulia angelockt werden, signalisiert die Schaubäckerei auf den ersten Blick: Hier wird noch handwerkliche, ehrliche Arbeit abgeliefert.
Während sich so mancher bayerische Gastronom nicht zu schade dafür ist, für eine Scheibe trockenes Brot zum Wurstsalat 1 Euro extra zu berechnen, wird Brot im OhJulia nach allen Regeln der Kunst als Marketingmittel eingesetzt. Wer z. B. einen Antipasti-Teller bestellt, bekommt den Brotkorb zum Essen kostenlos dazu!
Eigentlich müsste man auf den Brotkorb schreiben: Vorsicht Suchtgefahr! Die Gäste probieren und sind nach den ersten Bissen schlicht hin und weg! Kaum einer, der nicht auf die Idee kommt: Solch ein tolles Brot möchte ich mit nach Hause nehmen.
Was alles in der Konzeptidee Brot steckt, würde allein schon mehrere Seiten füllen.
Aber okay, der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Ab 11 Uhr wird der Backofen zum Pizzaofen! "Das ist nun wirklich nichts Besonderes", mag so mancher Leser jetzt einwenden. Pizza gibt's nun wirklich an jeder Ecke! Mag sein, aber nicht mit Ecken!
Nur zur Erinnerung – die Grundregel lautet: Mach einfache Sachen besonders! Die Qualität der Pizzen frisch aus dem Ofen ist genauso hochwertig wie die Zutaten. Aber die halten sich durchaus im üblichen Rahmen. Im OhJulia werden keine Haifischflossen oder Waguyu-Stücken benötigt, um die Pizzen einzigartig zu machen. Ein ganz simpler Trick genügt, man muss halt nur drauf kommen: Die Pizzen sind (recht)eckig, nicht rund, nicht als Slices geschnitten, nicht groß oder klein, aber dafür 30 oder 60 cm lang!
"Reinkommen – aussuchen – genießen", so heißt das Motto auf der Speisekarte. Wer das OhJulia betritt, sieht links die Back(Pizza-)Stube, die unmittelbar ein "Manufaktur"-Ambiente erzeugt. Dann folgt eine lange Vitrine mit einer Handvoll süßen Sachen zum Kaffee (alles Klassiker: Croissants, Schokocroissants, etc., aber frisch gebacken), mit einer kleinen Auswahl leckerer Snacks (frisch gebackene Brötchen mit Edel-Salami und Schimmelkäse, mit vorzüglichem Prosciutto und Pesto, mit Lachs, etc., jeweils zu 2,50 Euro) und mit einer großen Auswahl an Antipasti (morgens frisch zubereitet, die nächste Schale stets griffbereit unter der Vitrine im Kühlregal).
Das Prinzip wiederholt sich: einfach, aber besonders! Der echte Büffel-Mozzarella dürfte jedem Italienkenner das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Eine Schau für sich sind die "Polpette Benedettine" (eine Art Salsica-Fleischpflanzerl). Aus all diesen Köstlichkeiten kann der Gast nach Lust und Laune kleine oder große Antipasti-Teller zusammenstellen. Mittags und abends gibt es ein halbes Dutzend Gerichte, die von der Küchenbrigade in der vom Gastraum einsehbaren Küche (hinter Glas) zubereitet werden. Fürs Nachmittagsgeschäft wird die Antipasti-Range zurückgefahren, dafür kommen Desserts & Dolcis in die Vitrine.
Anders als in anderen Fast Casual-Lokalen von Marc Uebelherr gibt es im OhJulia keine Chipkarten. Beim Bezahlvorgang wird traditionell italienisch verfahren, wie man es von den Raststätten südlich des Brenners kennt. Der Gast bezahlt an der Kasse, bekommt Bons, löst sie am Tresen ein und erhält einen Pager. Anschließend nimmt der Gast Platz, die Speisen und Getränke werden an den Tisch gebracht.
An der konkreten Ausgestaltung dieser Art von Semi-Service, die Schnelligkeit und Bequemlichkeit für den Gast verbinden möchte, wird im OhJulia mit seinen rund 150 Sitzplätzen drinnen und 140 Sitzplätzen draußen im Innenhof zwischen Zitronenbäumen noch fleißig gearbeitet. Speziell das Nachgeschäft soll noch angeschoben werden. Wer draußen sitzt, wird nicht unbedingt wegen zwei Espresso zurück an die Kasse laufen. Angedacht sind beispielsweise eine mobile Caffè-Bar draußen oder eine Servicekraft mit mobiler Kasse, bei der direkt bestellt werden kann.
Die Julia ist eine rassige Italienerin, Espresso & Cappuccino dementsprechend Key-Artikel im Sortiment. Die Preise für solche Artikel haben Signalwirkung für die Gäste: 1 Euro für den Espresso, 2 Euro für den Cappuccino! Wobei keine Allerweltsbohnen verwendet werden, sondern eine exklusive Spezialmischung aus dem Hause Burkhof. Wenn die weiblichen Gäste angesichts solcher Preise Nachschub bestellen, dürften ihre männlichen Begleiter nichts dagegen haben (bei 0,5 l "Birra Augustiner" für 3,50 Euro!). Nicht vergessen: Wir sind in der Hofstatt (dem ehemaligen Areal der Süddeutschen Zeitung zwischen Sendlinger Straße und Fußgängerzone), gespickt mit sündteuren Geschäften!
"Wir haben ein Lokal versprochen, das für alle Gäste erschwinglich ist, und das haben wir gehalten", so Marc Uebelherr. Er setzt beim Publikum auf eine bunte Mischung – von Geschäftsleuten aus den umliegenden Büros bis hin zu jungen Müttern mit Kinderwägen. Dass diese Rechnung aufgegangen ist, ist bereits nach wenigen Wochen offensichtlich. Und abends geht die Post ab! Da macht die OhJulia ihrem Namen alle Ehre und wird zur Flirt- und Flaniermeile. Eine DJ-Kanzel mitten im Lokal soll den Hype noch anheizen (Sperrstunde im Gastgarten: 1 Uhr nachts!)
Der Lokalname weckt schließlich Assoziationen nach Verona, nach Romeo & Julia, nach heißblütiger Liebe … "Und jeden Tag kann man draußen Passanten beobachten, die unseren Schriftzug fotografieren und gleich verschicken – an eine Julia in ihrem Bekanntenkreis", freut sich Marc Uebelherr.
Zu heißen Flirts passen coole Drinks wie der Mezzodi Spritz! Mezzo … was? "Die Marken, die jeder hat, wie Campari oder Aperol, führen wir nicht", so Uebelherr. Auf seinen Touren nach Italien hat er diesen hochwertigen Bitter entdeckt, genauso wie Säfte, Limonaden (in den typischen kleinen italienischen Fläschchen) oder einen besonderen Kräuterschnaps. All das verschafft seiner OhJulia Charakter und Unverwechselbarkeit.
Es ist die Summe all dieser Details, die bei den Gästen in Erinnerung bleiben. "Gehen wir wieder ins OhJulia? Du weißt schon, das neue Lokal mit dem tollen Brot, den eckigen Pizzen, dem Spritz mit dem besonderen Namen – und den tollen Liedern". Alle Sinne verwöhnen: Als i-Tüpfelchen läuft im OhJulia ständig italienische Musik. Keine lieblose Mischung, sondern mit Liebe und Kennerschaft zusammengestellt. Lieder von Paolo Conte oder Adriano Celentano, aber nicht nur die Gassenhauer wie "Azzuro", sondern auch andere Songs, die fast in Vergessenheit geraten sind und deshalb umso mehr Spaß machen beim Wiederhören.
Wer so viele Alleinstellungsmerkmale vereint wie OhJulia, möchte nicht lange Single bleiben. Die Multiplizierung des Konzepts ist sozusagen impliziert – über die Grenzen Deutschlands hinaus. Zunächst aber möchte die rassige Julia aber die Mitglieder des Leaders Club verführen. Wir sind gespannt, ob die Trend- und Szenegastronomen bei ihrem Award das richtige Näschen haben für ein klasse Konzept, dessen Duft allein eigentlich schon unwiderstehlich ist.
Letzte Bemerkung: Marc Uebelherr kann nicht nur italienisch: Quiche statt Antipasti, Flutes statt Panini, Piaf statt Celentano: Wer wissen will, wie das in der Gastro-Praxis aussieht, braucht in der Hofstatt nur ein paar Meter weitergehen – ins Le Copain No.2!
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